Der Fachkräftemangel ist seit Jahren ein anhaltendes Problem in vielen Branchen und Regionen in Deutschland. Die Zahl der qualifizierten BewerberInnen ist langfristig geringer als der Bedarf des Arbeitsmarktes. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) konnten 2022 bundesweit mehr als 630.000 offene Stellen nicht besetzt werden, weil es keine Arbeitssuchenden mit der erforderlichen Qualifikation gab. Dies stellt seit Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 2011 die größte Fachkräftelücke dar. Vor allem in sozialen und handwerklichen Berufen ist der Mangel an qualifizierten und erfahrenen Arbeitskräften besonders groß.
Ursachen
Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind vielfältig. Ein wichtiger Faktor ist die demografische Veränderung. Die geburtenstarken „Baby-Boomer-“ Jahrgänge gehen in den Ruhestand, während aufgrund sinkender Geburtenraten zu wenige junge Menschen nachrücken, die die Lücken im Arbeitsmarkt füllen. Je nach Entwicklung der Zuwanderung kann die Gesamtzahl der Erwerbspersonen bis 2060 um ca. 10 Millionen Personen sinken. Die nachrückende Generation hat zudem andere Erwartungen an die Arbeitgeber und die Arbeitswelt, die nicht alle Unternehmen erfüllen. Ein weiteres Problem stellen Lücken im Bildungssystem dar, die die jungen Generationen nicht adäquat auf die Arbeit in den Unternehmen vorbereiten. Die Globalisierung hat zudem den Wettbewerb um MitarbeiterInnen erhöht. Qualifizierte Arbeitskräfte stehen vielfältigeren Möglichkeiten und einer größeren Auswahl an potenziellen Arbeitgebern gegenüber. Auch das Verhältnis zwischen Lohn- und Arbeitsbelastung spielt eine Rolle. Wenn die Arbeitsbelastung hoch, das Gehalt aber nicht attraktiv genug ist, suchen Bewerber nach anderen Optionen.
Handwerk
Besonders die Handwerksbranche hat Probleme, offene Stellen zu besetzen. Laut einer Studie der IW standen im Jahr 2021 ca. 200.000 offenen Stellen nur knapp 140.000 arbeitslose HandwerkerInnen gegenüber. Dass vor allem die Handwerksbranche mit einem Mangel an qualifizierten MitarbeiterInnen zu kämpfen hat, hat verschiedene Gründe. Insbesondere die große Menge an unbesetzten Ausbildungsstellen und die geringe Attraktivität der Branche für junge Menschen, machen es HandwerkerInnen schwer, kompetente NachfolgerInnen zu finden. Da die Anzahl an AbiturientInnen steigt und sich junge Menschen anschließend bevorzugt für ein Studium entscheiden, gehen Ausbildungsbetriebe immer häufiger leer aus. Zudem ist die Arbeit im Handwerk meist mit körperlicher Anstrengung verbunden und erfordert ein hohes Maß an Konzentration und Präzision, was auf BewerberInnen abschreckend wirken kann.
Folgen
Der Fachkräftemangel hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen, in denen die MitarbeiterInnen fehlen, sondern macht sich auch im alltäglichen Leben bemerkbar. So können in der Handwerks- und Baubranche neben steigenden Kosten erhebliche Wartezeiten entstehen. Die Fertigstellung von Projekten kann demnach bis zu einem halben Jahr oder länger dauern. Diese Gefahr besteht nicht nur im Privatbereich, sondern kann sich auch auf die Verkehrsinfrastruktur und auf öffentliche Projekte auswirken. So fehlt beispielsweise für geplante Maßnahmen zur Klima- und Energiewende das Fachpersonal. Versorgungsengpässe können ebenfalls ein Effekt der fehlenden Fachkräfte in bestimmten Berufsfeldern sein. Zudem steigt der Druck auf bestehende Angestellte, die die fehlenden Ressourcen kompensieren müssen und so häufig mit Überstunden und Stress konfrontiert sind. Dies kann in allgemeiner Unzufriedenheit im Job und folglich in erhöhter Fluktuation resultieren.
Lösungsstrategien
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, gibt es verschiedene Maßnahmen, die ergriffen werden können. Eine der wichtigsten Strategien ist der Fokus auf Bildung und Ausbildung. Hierbei sollte auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulen, Hochschulen und Unternehmen gesetzt werden, um die praktischen Fähigkeiten und die Ausbildung der Studierenden an die Bedürfnisse der Arbeitswelt anzupassen. Des Weiteren ist es wichtig, attraktive Arbeitsbedingungen und eine positive Arbeitsplatzkultur zu schaffen, um qualifizierte Arbeitnehmer anzulocken und zu halten. Dabei sollte ein stärkerer Fokus auf die Bedürfnisse und Vorstellung der jüngeren Generationen gelegt werden, die den Arbeitsmarkt zukünftig bestimmen werden. Besonders der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten, eine gute Work-Life-Balance und die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit sind den Arbeitssuchenden heutzutage wichtig. Dafür sollten ebenfalls Rekrutierungs- und Bewerbungsprozesse überdacht und an die Bedürfnisse der Arbeitssuchenden angepasst werden. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte und erhöhter Fokus auf Digitalisierung und Automatisierung sind weitere Möglichkeiten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Digitalisierungen können Prozesse optimieren und gleichzeitig Arbeitsfelder schaffen, die vor allem das Interesse von jungen Menschen wecken. Schließlich kann eine bessere Berufsorientierung und Imageverbesserung der jeweiligen Branche dazu beitragen, mehr junge Menschen für eine Karriere in diesem Berufsfeld zu gewinnen. Gezielte Informationskampagnen und Schulungen für SchülerInnen und BerufseinsteigerInnen können hierbei helfen.
Ausblick
Der Fachkräftemangel wird ein allgegenwärtiges Thema für viele Unternehmen und Branchen bleiben und sich tendenziell weiter zuspitzen. Die Gründe dafür sind vielfältig und schließen verschiedene gesellschaftliche Veränderungen und Herausforderungen mit ein. Um dem Problem entgegenzuwirken, sind Unternehmen gefordert, ihre Arbeitsbedingungen und Rekrutierungsprozesse zu überdenken und an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Investitionen in Aus- und Weiterbildungsangebote sind unumgänglich, um qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen und eine langfristige Entspannung der Situation zu erzielen. Die Zusammenarbeit von Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Politik ist dabei von entscheidender Bedeutung.